Manchmal besuche ich eine Freundin. Zwanzig Jahre lang war sie Hausfrau und hatte alle Hände voll zu tun mit ihren fünf Kindern, Haus und Garten. Nun ist die Jüngste ein Teenie, und meine Freundin arbeitet außer Haus und einige Tage auch im Haus. Sie hat wieder kleine Kinder, diesmal als Pflegemutter, eine Dreijährige und ein Baby, Töchter einer Ärztin. Das sechs Monate alte Baby bekommt immer wieder Schreianfälle. Es schreit so verzweifelt, daß es die Mutter eigentlich hören müßte in ihrer Praxis in der nächsten Stadt, wo sie das Leid fremder Menschen zu beheben sucht. Oft dauert es sehr lange, bis sich die Kleine beruhigen läßt. Die Ältere ist ganz gut zu haben, so lange die leibliche Mutter nicht da ist. Wenn diese erschöpft von der Arbeit kommt, macht die Kleine Zoff: Sie beißt ein Brot an und schmeißt es auf den Boden, sie schlägt die Hand weg, die sie mäßigen will, sie wirft sich hin und schreit, sie spielt ein paar Minuten mit einem Ding und reißt das nächste heraus. Sie schlägt nach der Pflegemutter. Das Mädchen, das seit kurzem in den Kindergarten geht, hat schon mit vielen Erwachsenen auskommen müssen: den Eltern, den Großeltern, der Krippenbetreuerin, nun mit Erzieherinnen und Kindern im Kindergarten und mit der Pflegemutter. Manchmal besuche ich andere Freunde. Er, der Bauer, leitet eine Gebetsgruppe. Nach dem dritten Kind wollte elf Jahre keins mehr kommen. Da hat die Tochter eine Fußwallfahrt nach Altötting gemacht, weil sich alle noch ein Geschwisterchen gewünscht haben. Es nützte, und die Mutter wurde wieder schwanger. Schon während der Schwangerschaft wurde das wachsende Menschlein an Kirchgang und Gebet gewöhnt. Schließlich lag ein Bübchen im Stubenwagen. Am Gebetsabend und nach der Kirche sehe ich, wie der Kleine gewachsen ist in einer Woche. Inzwischen, wenn ich in den Wagen schaue, blickt er mich ein Weilchen unbewegt aus großen runden Augen an, dann breitet sich ein Lächeln über seinem Gesicht aus, als würde der Himmel aufreißen. Der Himmel ist auch im Herzen der Mutter aufgerissen. Es gibt eine Freude von außen und es gibt eine Freude von ganz tief innen, die eigentlich gar niemand sehen soll, die aber nicht zu verbergen ist, kein Strahlen, nur ein zarter Glanz. Dieser Glanz ist auf dem Gesicht der Mutter, wenn sie ihr Kind im Arm hält, Wange an Wange, die Lippen auf die seidenweichen Haare legt und den Duft einatmet. Vater und Mutter verbindet tiefe Dankbarkeit über das Wunder des Lebens. Das Kind in die Krippe geben, jetzt mit fünf Monaten? Es wäre schiere Grausamkeit, die bis vor kurzem Mutter und Kind nur durch einen Schicksalsschlag hätten erleiden müssen. Bald hat jede Mutter in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für Kinder unter drei Jahren, also einen Rechtsanspruch auf einen Schicksalsschlag. Der Staat läßt es die Steuerzahler viele Milliarden kosten, damit die Mütter schon von ihren kleinsten Kindern weggerissen und unter „die Lufthoheit“ des Staates gestellt werden können. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen zu Hauf, was wir alle wissen: der formbare neue Mensch braucht als erste Botschaft seines Lebens: Du bist geliebt und geborgen, deine Existenz erfüllt die Welt mit Freude, so wie du die Welt mit Freude erfüllst. Fest eingewurzelt im Boden der Familie, wirst du Schritt für Schritt in die Welt hinausgehen und sie schließlich bereichern mit den Gaben, die Gott in dir angelegt hat und für deren Entfaltung du liebende Fürsorge, Vorbild und Unterweisung brauchst. Was aber wird aus Kindern, die bereits in den ersten drei Jahren ihres Lebens zwei herzzerreißende Trennungen erlebt haben: zuerst von der Mutter, wenn sie in die Krippe kommen, und dann – unter selten günstigen Bedingungen – von der „Fremdbetreuerin“, wenn sie in den Kindergarten kommen? Wir sind im Begriff die Quelle der Liebe zu zerstören, auf die jeder Mensch angewiesen ist: Die Liebe zwischen Mutter und Kind.
Gabriele Kuby: Wenn das Normale als Idylle